Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Tagesandacht in diesen Zeiten

          „Det fiel mir uff“

          Mit diesem Satz leitete unsere Oberin das ein, was sie uns jungen Schülerinnen als Kritik – seltener als Lob - sagen wollte. Wir alle erinnern uns mit gemischten Gefühlen, aber auch mit großer Dankbarkeit daran, denn wir alle wissen: Dieser Satz hat für uns ganz viele Lernschritte und neue Erkenntnisse eingeleitet.

          Kürzlich hörte ich mich, als ich vom Computer aufstand, laut in mein Zimmer hinein sagen: „Det fiel mir uff“. – Und das fiel mir dann wirklich auf!! - Ja, ich kann bestenfalls mit mir reden, denn ich werde bald 90! Ausgesperrt oder eingesperrt -- wie man's nimmt! Gut versorgt vor der Haustür, aber mit E-mails, Handy, Telefon und Computer, Mikrowelle und Waschmaschine allein. Doch ich denke nicht daran, mich vereinsamt zu fühlen, denn ich kann ja viele Kontakte aufnehmen und andere nehmen Kontakt zu mir auf, z.B. meine Berufskollegen von früher oder die letzten meiner Klassenkameradinnen. Fast alle, wenn nicht sogar alle, schreiben oder erzählen am Telefon vom Frühling, von den Knospen, die vor ihrem Fenster immer dicker wurden und sich jetzt öffnen, von den Vögeln, denen sie zusehen. Mehrere erzählten: Seit meine Kinder aus dem Haus sind, lag das Vogelbuch nicht mehr auf dem Fensterbrett. Jetzt habe ich es wieder hingelegt. Noch nie zuvor haben wir Kolleginnen oder Klassenkameradinnen uns über die Natur vor unseren Fenstern unterhalten, noch nie über Vögel, die Nistmaterial herumtragen, noch nie über das Entfalten der Blätter miteinander gesprochen. Wir haben das alles jedes Jahr gesehen, aber in diesem Jahr erleben wir es! Und wir erzählen uns, wie wunderbar schön das ist und wie wir das bestaunen und auf einmal als wunderbares Geschenk empfinden. Denn wir wissen ja: Es ist nicht selbstverständlich! Wir Menschen haben ja schon Gegenden geschaffen, in denen das Leben tot bleibt!

          Noch vor kurzem konnte mein Nachbar mir und ich ihm ins Zimmer gucken, wenn wir abends das Licht anmachten. Inzwischen brauchen wir keine Gardinen mehr. Zwischen uns ist alles grün und nur ab und zu scheint das Licht des Nachbarn einmal kurz durch die Blätter.

          In der Dämmerung sitze ich da und beobachte, wie der Wind die Zweige bewegt und staune: Eine ganze Zeit lang wackeln nur alle Blätter an den Zweigen, aber im nächsten Moment gerät der ganze Baum ins Schwanken! Wer konnte sich so etwas ausdenken? Mir fällt die Bibelstelle ein vom „leichten, sanften Säuseln“. Wohin gehört das nochmal? Ja, zu Elia, als der Gott begegnete! Ich hole meine Bibel und schlage nach: 1. Könige 19 ab Vers 11: „…der Herr ging vorüber und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht Winde. Nach dem Winde aber kam ein Erdbeben. Aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer. Aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Säuseln… und der Herr sprach zu Elia: Gehe wiederum deines Weges durch die Wüste…“

          Ja, in diesem Jahr nehmen wir Alten uns tatsächlich mehr Zeit, um am Fenster zu sitzen und uns anzusehen, wie der Frühling ganz leise vor unserem Fenster einfach so „geschieht“ und wir werden dankbar für dieses Erlebnis und wir erzählen - zum ersten Mal in unserem langen Leben - einander davon. „Det fiel mir uff!“

          Gerda Klemp

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