Kirchensynode 2024
„Ich bin dort neu geboren“: Kirchenasyl-Gäste berichten der EKHN-Synode
© Blickwechsel, Menschen-wie-wirFilimon aus Eritrea flüchtete über das Mittelmeer nach Europa27.04.2024 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
veröffentlicht 26.04.2024
von Caroline Schröder
„Das Kirchenasyl steht in einer jahrtausendealten Schutztradition. Es schenkt allen Beteiligten eine Atempause, in der gefällte Entscheidungen überdacht und revidiert werden können, insbesondere angesichts der Gefahr für Geflohene bei Rückkehr in ein Durchreise- oder Herkunftsland“, erläutert Birgit Pfeiffer, Präses der Kirchensynode. Durch ein Kirchenasyl könne eine erneute, sorgfältige Prüfung der Situation von Betroffenen durch Behörden und Gerichte erreicht werden.
In einem eigens für die Synode gedrehten Film kommen zwei Personen zu Wort, die von ihren Erfahrungen im Kirchenasyl in Kirchengemeinden der EKHN berichten. „Ich wusste nicht, was Kirchenasyl ist, aber es war für mich der letzte Weg", so Filimon, der aus Eritrea über das Mittelmeer nach Europa floh und Kirchenasyl-Gast in Frankfurt am Main war. „Drei Monate war ich alleine dort, aber sie haben mich jeden Tag besucht und mir Deutsch beigebracht. Dadurch hatte ich das Gefühl, dass ich nicht einsam bin, und ich habe viele aus der Gemeinde kennengelernt", fährt er fort. Inzwischen arbeitet er als Altenpfleger in Frankfurt.
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Sara (Name verändert) musste aus religiösen Gründen mit ihrer Familie aus dem Iran fliehen und suchte Kirchenasyl in Friedberg. Sie berichtet: „Die Pfarrerin hat meine Hand genommen und gesagt, dass wir das schaffen. Ich bin dort neugeboren und habe den Kontakt mit Gott gefunden." Heute lebt sie in einer eigenen Wohnung und arbeitet als Gesundheitstrainerin.
Kirchenasyl schützt Menschenwürde
Conny von Schumann, Mitglied der Kirchensynode und Mitglied im Ausschuss für Gesellschaftliche Verantwortung (AGV), berichtet, dass es sich bei den meisten aktuellen Kirchenasylen in der EKHN um sogenannte Dublin-Fälle handelt: „In diesen Fällen droht die Abschiebung in einen anderen europäischen Staat, in dem eine Person ihr Asylverfahren durchlaufen soll. Kirchenasyl-Gäste berichten aus einigen europäischen Ländern von schweren Misshandlungen durch Sicherheitskräfte, von Inhaftierungen und Demütigungen, Hunger und fehlender medizinischer Versorgung. Daher ist auch in solchen Fällen ein Kirchenasyl zum Schutz der Menschenwürde nötig.“
In einem Vortrag vor der Synode beschreibt der Interkulturelle Beauftragte der EKHN, Pfarrer Andreas Lipsch, die Praxis des Kirchenasyls als „zivilen Menschenrechtsgehorsam“. Das Kirchenasyl stehe nicht im Widerspruch zum Rechtsstaat, sondern unterstütze ihn. „Das Kirchenasyl nimmt nicht ein Recht neben dem Recht in Anspruch, sondern setzt sich dafür ein, dass die Grund- und Menschenrechte innerhalb der bestehenden Rechtsordnung Beachtung finden und durchgesetzt werden.“
Lipsch wirbt für eine andere, an der Menschenwürde und den Menschenrechten orientierte Flüchtlingspolitik, die viele Kirchenasyle überflüssig machen würde. Noch bewege sich die Politik nicht zuletzt mit der Reform des europäischen Asylsystems in die entgegengesetzte Richtung. „Was wir zurzeit erleben, ist ein historischer Tiefpunkt des Flüchtlingsschutzes in Europa“, so Lipsch.
47 Erwachsene und sieben Kinder aktuell im Kirchenasyl in Gemeinden der EKHN
In Gemeinden in der EKHN haben im Jahr 2023 159 Menschen Kirchenasyl begonnen. Die Gemeinden haben insgesamt 174 Erwachsene und 29 Kinder aufgenommen, die meisten von ihnen aus Syrien oder Afghanistan.
153 dieser Fälle sind sogenannte Dublin-Fälle. Die am häufigsten vertretenen Dublin-Staaten, also Staaten, in die den Kirchenasyl-Gästen die Abschiebung drohte, waren Bulgarien und Kroatien. Aktuell befinden sich 47 Erwachsene und sieben Kinder im Kirchenasyl in der EKHN (Stand 03.04.2024).
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