Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Tagesandacht in diesen Zeiten

          In der Ruhe liegt die Kraft

          Ich stehe in Fulda am Bahnsteig und warte auf meinen ICE nach Frankfurt. Da braust plötzlich ein Güterzug heran, rast und rattert an mir und den anderen wartenden Reisenden vorbei. Unwillkürlich gehe ich zwei Schritte zurück, drehe mich ein bisschen weg, schließe kurz die Augen, bis er durch ist. Obwohl ich weiß, dass da grade nur ein Zug laut und schnell auf den Gleisen vorbeifährt, fühle ich mich unwohl angesichts dieser Kraft, Lautstärke und Geschwindigkeit.

          So ähnlich geht es mir auch grade in diesen Corona-Tagen. Die neuen Nachrichten überschlagen sich wieder – so ähnlich wie vor 8 Wochen, nur sind es diesmal ja zumeist gute Nachrichten: Corona-Lockerungen, die mit großer Geschwindigkeit auf uns zu, an uns vorbeirollen: Vor 10 Tagen durfte ich meine Kinder noch nicht besuchen, jetzt könnte ich vielleicht sogar wieder ins Kino gehen. Mein Kopf sagt: Das ist super! Vor allem für die, die das Ende des Tunnels herbeigesehnt haben, wie zum Beispiel die Gastwirte und Eltern kleinerer Kinder.

          Aber meine Seele fühlt sich ein bisschen wie am Bahnsteig, wenn ein Güterzug laut und kraftvoll vorbeirast. Am liebsten würde ich kurz die Augen schließen und mich wegdrehen. Ich brauche mehr Zeit, um mein inneres Wertesystem den Veränderungen anzupassen, neu zu sortieren:  Was ist gut und was ist nur auf den ersten Blick gut? Was ist richtig, was ist falsch? Wird alles wieder wie früher oder wird die Zukunft doch ganz anders?

          „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Ein Satz aus meiner Großelterngeneration. Er steht nicht in der Bibel, trotzdem liegt viel Weisheit darin.

          Aber die Bibel erzählt eine Geschichte dazu: Bei der Entstehung des Lebens gehört zum Werden und Wachsen die Ruhe dazu, ja sie ist notwendig. „Am 7. Tag ruhte Gott von allem Tun“. Gott gibt dem Leben Zeit und Ruhe, damit es gut werden kann.

          Ich glaube, die Seele braucht das auch: diese Ruhetage, Sonntage inmitten der rasanten Entwicklung, um sich wieder zu orientieren, eine neue Richtung zu finden.

          Erst dann kann sie sich wieder kraftvoll dem zuwenden, was ist.

          Ja, ich werde mir in dieser Zeit Ruhemomente nehmen, mit gutem Gewissen.

          Und das wünsche ich Ihnen auch, denn es stimmt ja: In der Ruhe liegt die Kraft!

          Bleiben Sie behütet

          Ihre Karin Klaffehn

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