Die Sonntagspredigt aus dem Dekanat
Predigt zum Sonntag Exaudi
22.05.2020 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
‚Nieder mit der Schwerkraft, es lebe der Leichtsinn!‘ – dieser Sponti-Spruch bringt auf drollige Art die Hoffnung und den Lebensmut zum Ausdruck, zu dem auch unser heutiger Predigttext ermutigen möchte.
Über die Mühen des Lebens wissen wir gründlich Bescheid. Es steckt uns in Herz, Hirn und Gliedern. ‚Wie geht’s?‘ ‚Es muss!‘ In dieser dürren Szene steckt manches unserer angenommenen Schwere. Sie zieht sich durch unseren Alltag. Durch unsere Glieder, die nur schwer in Gang kommen, durch unsere Gedanken und Herzen. Mal sind es die Sorgen um Job, Auskommen oder Gesundheit, gerade derzeit. Die Schwere ist in unserer Müdigkeit, in der bleischweren Einsamkeit besonders in diesen Zeiten von Corona.
Wie ‚schwer‘ geht, kennen wir aus dem FF. Wir haben uns daran gewöhnt, uns darin eingerichtet und für die meisten ist der Alltag tatsächlich kein Zuckerschlecken. Und in diesem Alltag ist Gott allzu oft sehr weit weg. Wenn wir uns überhaupt noch einen Gottessinn bewahrt haben. Und wir scheitern nicht nur an den äußeren Gegebenheiten, sondern auch und vor allem an den inneren, an unseren Ansprüchen und Anforderungen an uns selbst.
Jeremia erzählt von Gott, der etwas anderes für uns will. Und erinnert an die Hoffnungsperspektive Gottes, den der Alltag der Mühsal und des Scheiterns nicht kalt lässt, ganz im Gegenteil.
Einen neuen Bund will Gott schließen. Er sucht die Verbindung mit uns, das Miteinander und unser Lebensglück. Der alte Bund hielt nicht. Gott hatte sein Volk Israel aus der Knechtschaft geführt, es ‚an der Hand genommen‘. Dieser alte Bund hatte seine Regeln, Gebote und Gesetze. Aber die Menschen hängten sie so hoch, dass sie achtlos und bequem darunter her leben konnten. Oder sie ignorierten sie gleich ganz. Ein gottgemäßes Leben schien zu schwer - oder auch zu fade - oder wurde den Menschen auch zu schwer gemacht. Wahrscheinlich ist uns diese Empfindungswelt nicht ganz fremd.
Es braucht einen neuen Anfang. Einen neuen Bund. Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Da geht es nicht mehr auf Steintafeln oder in Bücher, sondern direkt in Herz und Sinn. Und welche Wohltat: es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß. Keine Gottesexperten mehr, keine Kämpfe mehr um den richtigen Glauben. Alle wissen von Gott. Das wäre die Inkarnation dessen, was für uns Evangelische ‚das Priestertum aller Gläubigen‘ ist. Wie schön wäre das, die Gottesnähe, die Liebe, das Wissen um Gottes Gebote, um das, was dem Leben aller dienlich ist, wären uns eingeschrieben und würden so zu unserer zweiten Natur. Bei diesem Bund, bei dieser Verbundenheit wäre ich gerne dabei. Es wäre ein Bund der Übereinstimmung mit Gott.
Diese Übereinstimmung ist uns nicht eingeschrieben oder es ist inzwischen zu viel darüber gekritzelt worden. Aber viele von uns spüren noch so einen Gottessinn in uns oder dieser Gottessinn kann plötzlich neu auftauchen, unvermittelt. – Marie-Luise Kaschnitz schrieb in einem Gedicht: „Manchmal stehen wir auf … zur Auferstehung auf mitten am Tage. … Nur das Gewohnte ist um uns … Und dennoch leicht. Und dennoch unverwundbar. Geordnet in geheimnisvolle Ordnung. Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“
Aber wir vermögen es nicht, solche kostbaren Momente der Gegenwart Gottes zu bewahren. Wo uns Herz und Sinne leicht und weit werden in Gott. Wir können das nicht festhalten. Und der Alltag und seine Schwere kehren zurück. Und wir sind wieder gottvergessen.
Ja, das wäre was mit einem neuen Bund, einer neuen Verbundenheit. Aber dazu gehören immer zwei. Es liegt auch an uns. Vielleicht ist uns dieser neue Bund tatsächlich schon eingestiftet. Vielleicht ist unser Gottessinn nur zugemüllt. Genauso wie unsere Welt. Und vielleicht gehört das ja zusammen.
Wir können uns jedenfalls erinnern. Uns reinigen. Den Weg zur Quelle suchen. Und das muss nicht ernst und schwer sein. ‚Siehe, mein Joch ist leicht!‘ Ja, dieser neue Bund ist schon geschlossen, ist schon in uns verankert und eingeprägt. Wir Christen erkennen darin die Frohe Botschaft, die Freude, die uns zum Leben und zur Liebe anstiftet. Bei alldem gilt obendrein ‚ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken‘.
Wir tragen viele Lasten. Wir tragen auch Lasten der Vergangenheit. Aber wir dürfen das hinter uns lassen, abschütteln, den Blick nach vorne wenden dem Freudenhorizont Gottes entgegen, den wir schon lange in unserem Herzen tragen. Wir tragen Gottes Lebenssignatur in uns – nicht zuletzt dank der Taufe. Christus ist uns eingeschrieben.
Corona-Virus oder Alltagssorgen hin oder her. Wir dürfen und können aufleben in Gott, das ist im Ursinn von Gottes neuem Bund mit uns.
In uns. Leben und lieben wir auf.
Nieder mit der Schwerkraft – es lebe der Leichtsinn.
Weg mit Kleinmut, Enge und Lasten, sonst wird uns das Leben lästig.
Sorge beiseite und Herz und Sinn gottwärts. Ganz leicht.
Dann aufleben – wohin auch immer …
Gebet
Großer Gott, Du selbst bist, was uns fehlt.
Du bist, woran wir es fehlen lassen.
Unsere Sorgen sind groß.
Die Gefahren nehmen überhand.
Wir sind überfordert.
Und wir wissen, viele stehen in diesen Tagen bittere Zeiten durch.
Ob wegen Corona, Feuersbrünsten oder Tropenstürmen.
Gib, dass wir in allem für Dich offen bleiben,
dass wir es uns erlauben aus, Deiner Nähe Kraft zu ziehen
für uns und unsere Liebe.
Mach uns zu Liebenden
und zu Liebhabern des Lebens.
Hab Dank, dass Du in, mit und bei uns bist.
Lass uns das Leben so umarmen
wie Du uns umarmst,
in jedem Augenblick neu.
Amen
Segen
Gott, der Lebendige und Lebensspendende
Lebe auf in und mit Dir.
Leicht sei Dein Sinn.
Weit sei Dein Herz und groß Deine Welt.
Liebe und lass Dich lieben,
denn Du bist geliebt
jeden Tag neu
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