Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Die Sonntagspredigt aus dem Dekanat

          Predigt zum Sonntag Exaudi

          „Die Welt ist bald nicht mehr zu retten!“ – so las ich diese Tage als Schlagzeile auf einer Nachrichtenseite im Internet. Darin wurde erwähnt, dass tausende Wissenschaftler aus 184 Ländern in einer Stellungnahme eine düstere Zukunft unseres Planeten prognostizierten.

          Man spürt zurzeit eine Aufbruchsstimmung: Wenn die aktuelle Krise vorbei ist, dann wird es wieder gut werden und die gute alte Zeit kann wiederkehren. So wünscht man sich. Doch man muss ehrlich sagen: wenn diese Krise vorbei ist, dann beginnen eigentlich erst wirklich die Probleme. Denn Viren kommen und gehen, das war schon immer so. Der Mensch hat damit leben gelernt. Aber mit dem Sterben dieses Planeten werden wir nicht leben lernen, denn es nimmt uns die Zukunft. Und so sehr wir diese Bedrohung vielleicht auch intellektuell erfassen, so sehr weigern wir uns doch wirklich, es auch anzuerkennen. So höre ich zurzeit öfters die Klage über die Trockenheit bei uns, als ob jemand anderes daran schuld sei. Das zeigt nur, dass wir nicht wahrhaben wollen, was Realität ist, und wozu wir beigetragen haben: der Wandel des Klimas und des grünen Planeten. Artensterben, wachsende Müllberge zu Land und im Wasser, steigende Meeresspiegel, Hitzerekorde. Und das scheint unaufhaltbar zu sein, denn wie will man schmelzende Eisberge wieder zum Gefrieren bringen und ausgestorbene Arten wieder lebendig machen? – Darauf gibt es zwei Möglichkeiten zu reagieren: entweder, man verschließt die Augen, um noch fröhlich leben zu können – der Tanz auf dem Vulkan – oder man verzweifelt. Dass wir Menschen es soweit kommen lassen konnten. Endzeitstimmung, Weltuntergangsstimmung. Davon hören wir auch in der Bibel. Das nahe Ende der Welt gehört zur Botschaft  Jesu dazu. Und die Apokalypse ist eine biblische Vorstellung. Aber die Bibel redet auch von der Hoffnung auf das, was danach kommt. Die entscheidende Frage ist nicht, wann und wie das Ende kommt, sondern: was kommt danach? Davon redet der heutige Predigttext:

           

          31Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

          (Jeremia 31,31-34)

           

          Herr, gib uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.

           

          Ich kenne das noch aus der Schule, aus dem Kunstunterricht, wenn man vor der Aufgabe stand, etwas ebenbildlich abzuzeichnen. Das fiel mir immer schwer. So stand ich schnell vor der Frage, ob ich durch Veränderungen an der missratenen Zeichnung noch etwas retten könnte, oder doch lieber den radikaleren Weg gehen sollte: zusammenknüllen, wegwerfen und neu anfangen.

           

          Mit dieser Frage sind wir im Leben immer wieder einmal konfrontiert: Kann man etwas Misslungenes retten, indem man es ausbessert, oder ist es nicht doch besser, noch einmal neu  zu  beginnen.  Das  mag  einem  bei  einer  Zeichnung  oder  bei  einem  Predigtentwurf

          leichtfallen, aber wie ist das mit menschlichen Beziehungen? Wenn man mit der Zeit merkt, dass eine Partnerschaft nicht so gelingt, wie man sich das erhofft hat? Wenn Verletzungen vorgefallen sind, die man nicht einfach wegwischen kann und Narben zurückbleiben? Wenn man am Partner etwas Abgründiges kennengelernt hat, was man vorher nicht erahnte und das einen ängstigt – kann man dann noch damit leben? Oder ist es dann nicht doch besser, einen Schlussstrich zu ziehen und neue Wege zu gehen?

           

          Im Jahr 2018 betrug die Scheidungsquote in Deutschland rund 33 Prozent, d.h. auf drei Eheschließungen kam eine Ehescheidung. Im Jahr 2005 lag die Scheidungsquote in Deutschland sogar bei über 50 Prozent. Ehescheidungen gehören zu unserem Alltag. Und wir alle – wenn wir nicht selber eine Scheidung durchgemacht haben sollten – kennen zumindest doch in unserem Umkreis Geschiedene.

           

          Wenn dieser radikale Schnitt der Scheidung bei uns Menschen zum Alltag gehört, sollten wir dann das Gott nicht auch zugestehen? Denn die Geschichte Gottes mit dem Menschen ist die eines Missverständnisses und der fortwährenden Enttäuschung. Gott hatte es so gut gemeint und gedacht: eine Welt der Harmonie, wo eins für das andere da ist und in umfassendem Frieden leben kann – ohne Leid, ohne Geschrei, ohne Schmerz, ohne den Tod. Gott hatte nicht einfach eine Welt geschaffen, sondern das Paradies.

           

          Doch diese Schöpfung barg ein großes Risiko. Denn der Mensch als „Krone der Schöpfung“ war dazu auserkoren, als Gottes Ebenbild die Ordnung der Welt aufrechtzuerhalten und in Liebe die Welt zu regieren. Gottes Liebe sollte im Menschen ihre Antwort finden und durch ihn die ganze Welt durchdringen. Doch da Liebe nie erzwungen werden kann, und kein Automat oder Roboter lieben kann, erschuf Gott mit dem Menschen auch das Risiko, dass der Mensch anders reagieren könnte, als Gott es wollte. Ein Mensch, der lieben kann, kann eben auch nicht lieben. Und genau so kam es. Das Misstrauen des Menschen zerriss die Schönheit der Schöpfung. Aus Segen wurde Fluch. Statt lustvoller Liebe – betrügerische Bosheit. Gott sah daraufhin keinen anderen Weg, als das Paradies vor dem Menschen zu verschließen, um wenigstens diesen Ort als Sehnsuchtsstachel im Menschen rein erhalten zu können. Seitdem ist diese Schöpfung eine gefallene, an der Gott kein Wohlgefallen haben kann. Doch Liebe macht blind, und so hat auch Gott immer wieder versucht, dem Menschen eine neue Chance zu geben. Er hat sich ein Volk erwählt aus allen Völkern. Er hat es bevorzugt und es erst an seine Brust und dann an seine Hand genommen als seinen Sohn. Doch menschliche Söhne sind aus anderem Holz geschnitzt als die Gottessöhne.

           

          Der Mensch hat alles Mögliche im Kopf und im Herzen, aber nicht seinen Schöpfer. Und das hat sich bis auf den heutigen Tag nicht geändert. Wie oft und wie lang habe ich denn gestern an Gott gedacht? Ihn gepriesen, ihm gedankt, ihm meine Liebe bekannt? Der Tag gestern hatte 24 Stunden – wieviel Zeit haben wir mit Gott verbracht? Wir Menschen haben alles Mögliche im Kopf und im Herzen, aber nicht unseren Schöpfer. – Und so stand Gott vor der Frage: Soll er am Menschen herumflicken und auf Besserung hoffen oder doch einen radikalen Schnitt vollziehen und mit einer neuen Schöpfung neu anfangen? Was würden Sie an Gottes Stelle tun?

           

          Gottes Weg ist ein einzigartiger, ein Weg, den wir nicht verstehen und begreifen können. Denn menschliche Alternativen sind an menschliche Grenzen gebunden. Doch bei Gott ist alles anders. So auch im Hinblick auf sein großes Problem, nämlich uns Menschen. Der heutige Predigttext – wie die Botschaft der Bibel generell – zeigt: Gott kann nicht loslassen von uns. Er kann sich von dem Menschen, den er aus Liebe erschuf, nicht scheiden. Aber er kann auch

          nicht leben mit dem Menschen, wie er nun einmal ist – „with or without you“. Gott kann nicht ohne uns, aber auch nicht mit uns leben. Deshalb geht er einen ganz neuen, eben seinen Weg

          –  mit uns. „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.“

           

          Gott wird unser Herz prägen, ihm seinen Stempel aufsetzen. Statt unseres kalten Herzens, das einem Stein gleicht, wird er uns ein fleischernes geben, das mitfühlt und empfindet, ein Herz, das Gott lieben wird. Nicht mehr auf Steintafeln, sondern mit flammenden Lettern direkt in unser Herz wird der neue Bund geschrieben werden. Im Glutofen seiner Liebe wird uns Gott umschmelzen zu Menschen, die vor Liebe brennen werden. Und dann – als Ziel der ganzen Schöpfung, als ihre höchste Zeit – wird er sich uns vermählen. „Ich bin Dein und Du bist mein“

          –  das ist die Grundformel eines jeglichen Liebesbundes. Denn was gibt es für den Liebenden Schöneres, als sich dem Geliebten zu schenken? Und so wird Gott am Ende sich ganz seinem Volk verschreiben, wie sein Volk sich ganz ihm schenken wird.

           

          Diese Verheißung, die Jeremia vernommen hat, klingt wieder an in der Offenbarung, die der Seher Johannes geschaut hat. Dort heißt es in der großen Vision von dem neuen Himmel und der neuen Erde: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“

           

          Auf der neuen Erde unter dem neuen Himmel wird der neue Bund geschlossen werden mit dem neuen Menschen und dem ewig sich treu bleibenden Gott. Dann wird die Zeit kommen, von der Jeremia spricht. Doch ist das nicht nur eine reine Zukunftsverheißung. Denn diese Verheißung gilt ja nicht irgendwelchen fremden Menschen, sondern uns! Wenn wir auch noch nicht am Ziel sind, so wird doch Gott mit uns zu diesem Ziel gelangen. Wenn wir auch noch nicht die Hochzeit feiern, so hat er sich doch schon uns verlobt. Und diese Gewissheit will auch hier und heute uns schon verändern.

           

          Wir kommen aus dem Paradies und gehen auf das Paradies zu, aber auch schon hier und jetzt können wir in der Gemeinschaft mit Gott den Duft des Paradieses atmen, wie der Duft von Narde und Myrrhe. Wir dürfen träumen und Gottes Traum auch leben! Denn wo sein Heiliger Geist in uns einkehrt, da spüren wir schon etwas von dem neuen Herzen und dem neuen Sinn, von der neuen Erde und dem neuen Himmel. Wir leben als Verlobte in der Vorfreude auf die Hochzeit. Auf den Moment, wo die geschmückte Braut ihren Mann empfangen wird und sie eingehen werden in die Brautkammer, um einander ihre Liebe zu schenken. Dann werden wir trunken von Liebe Gott erkennen, wie wir von ihm erkannt wurden. Dann werden wir wie im Paradies ohne Scham nackt sein – ohne schützende Masken und ohne täuschende Hüllen. Dann wird der neue Bund vollzogen werden. Und dann werden wir vor lauter Glück gar nicht mehr verstehen können, warum wir Menschen einmal so anders, so treulos waren, warum wir Menschen überhaupt Gott vergessen konnten. Aber das wird dann nicht mehr beunruhigen, „denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“

           

          „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“

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