Evangelisches Dekanat Vogelsberg

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanats Vogelsberg zu Ihnen passen. Wir sind jederzeit offen für Ihre Anregungen. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.

          AngeboteÜbersicht
          Menümobile menu

          Pfarrer Walter Bernbeck nach 35 Jahren in den Ruhestand verabschiedet

          Das Brot des Lebens geteilt

          Er ist – seit vergangenem Sonntag muss man sagen war – eine Institution in seinen Kirchengemeinden Billertshausen und Zell, in den Dekanaten Alsfeld und Vogelsberg und in der Region überhaupt: Pfarrer Walter Bernbeck, der seine Kirchengemeinden 35 Jahre lang begleitet hat, der mit seiner Haltung für ein hohes Maß an sozialem und ökologischem Engagement eintritt, ohne dabei jemals dogmatisch zu sein, einer, der überzeugt mit seinem zutiefst christlichen Menschenbild, das niemanden ausschließt, nah an den Menschen seiner Kirche, nah an allen, die ihn brauchten.

          Bildergalerie

          Am Sonntag wurde der 64-Jährige im Getürms in Billertshausen und anschließend im Rahmen eines großen Gemeindefestes im Pfarrhof in Billertshausen in den Ruhestand verabschiedet. An die 400 Menschen begleiteten die Feierlichkeiten, die kleine Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, das strahlende Sommerwerter bot allen anderen Gästen auf dem Freigelände Platz. Gekommen waren neben den Gemeindegliedern Weggefährten, Pfarrerkollegen, Mitstreiter aus Vereinen und Verbänden, Freunde, Menschen, die ihm und denen er wichtig war und ist, darunter auch viele junge Menschen, die sich nun alle schweren Herzens verabschiedeten. Und das nicht nur von dem Pfarrer, sondern auch von seiner Frau Dr. Ursula Bernbeck, denn auch sie hatte das lebendige Gemeindeleben mitgeprägt, wie in den Reden und Dankesworten im Lauf des Tages mehr als deutlich wurde.

          Den Gottesdienst und das Fest moderierten die beiden Vorsitzenden der Kirchenvorstände, Bettina Roth aus Zell und Bodo Müller aus Billertshausen. Musikalisch gestalteten Christina Wedekind und Rudolf Haidu an der Orgel gemeinsam mit dem Evangelischen Posaunenchor Angenrod unter der Leitung von Harald Schneider den Gottesdienst. Der Projektchor beider Kirchspiele sowie das eigens zusammengekommene „Laetate“-Oktett setzten weitere musikalische Akzente, die für große Begeisterung, aber auch für viel Rührung sorgten. Zahlreiche Prädikanten und Lektoren, Kirchenvorstehende, Ehrenamtliche, ehemalige Konfirmanden und Freunde gestalteten die Feier mit. Emotional und nicht ohne Tränen verlief der Gottesdienst, der auch hinsichtlich der Auswahl der liturgischen Elemente und der Lieder geprägt war von den Anliegen, die Pfarrer Walter Bernbeck stets umgetrieben haben: Das Miteinander im Kleinen und im Großen, das Wirken für Menschen, die Hilfe brauchen, seien es die Gemeindeglieder vor Ort, Menschen ohne Obdach oder die vielen Geflüchteten, für die sich Bernbeck unermüdlich einsetzte.

          „Wir haben das Lebensbrot geteilt“, so Walter Bernbeck in seiner letzten Predigt, „Wir durften das Leben teilen, wir durften gemeinsam satt werden.“ Der Pfarrer blickte zurück auf 35 Jahre, in denen das Vertrauen und die Wertschätzung zueinander auch durch gemeinsame Mahlzeiten und gemeinsames Arbeiten gewachsen sind - auch wenn „das Brot des Lebens nicht immer leichte Kost“ war. Bernbeck dankte den Menschen in seinen Kirchengemeinden dafür, dass seine vier Kinder hier aufwachsen durften, dass sie ihnen Heimat gaben in bewegten Zeiten. Politisch, ökologisch und sozial engagiert hatten der junge Pfarrer und seine Freundin und spätere Ehefrau vor mehr 35 Jahren begonnen, die Menschen hier für ihre Ideen zu begeistern. „Ihr habt euch auf neue Themen und Menschen eingelassen“, so der Pfarrer an seine Gemeindeglieder, „Ihr wart offen für Menschen, die zu euch kamen, seien es die stadtflüchtenden Aussteiger oder diejenigen, die vor Krieg und Elend flüchteten.“ Das Brot des Lebens weiterhin zu teilen, sei nun die Aufgabe der Menschen vor Ort, appellierte Bernbeck an seine Gemeindeglieder.

          Mit zwei sehr emotionalen Beiträgen nahmen die Freunde und Weggefährten Alfred Haberlach und Reinhold Wald Abschied von ihrem Pfarrer. Auf Platt erinnerte Haberlach an die Anfangszeiten: Ein neuer Pfarrer, ohne Schlips, barfuß mit Sandalen und meistens auf dem Fahrrad? Dazu unverheiratet – zumindest anfangs - mit einer Katholikin? Die Billertshäuser mussten sich an einiges gewöhnen und sie taten es und teilten gerne die Bewegung, die die bald sechsköpfige Familie in ihren Ort und die umliegenden Dörfer brachte. „Nun ist das Pfarrhaus leer“, so Haberlach, „wir vermissen euch schon jetzt so sehr!“ Damit sprach er vielen Anwesenden aus der Seele, Tränen flossen reichlich bei der Erinnerung an gemeinsame Aktivitäten, wie der Sanierung des Pfarrhauses, die alle Dörfer in Bernbecks Gemeinden zusammenführte, an die gemeinsamen Feiern und die vielen, meist nachhaltigen Veranstaltungen sowie an zahlreiche ehrliche Diskussionen, in denen man nicht immer einer Meinung war.

          So bewegend waren die Beiträge, dass Propst Matthias Schmidt seine wohlgesetzten Worte zur Entpflichtung zunächst beiseitelegte und selbst in Erinnerungen an seine Begegnungen mit dem Pfarrer schwelgte. Dabei habe er stets ein Bild vor Augen, das die Gemeinden einmal gezeichnet hatten: Der Pfarrer und das Pfarrhaus als Knotenpunkt des gemeinsamen Lebens, als Zentrale auch für Fahrradtouren, Kartoffelernten und Worschtsupp-Mahlzeiten. „Das Evangelium verbreitet man, indem man mit den Menschen lebt.“ Dafür danke ihm auch die Landeskirche. „Das Wirken eines Pfarrers liegt nicht immer vor Augen“, so Schmidt abschließend, „doch die Früchte Ihres Wirkens werden bleiben.“ Nach der Entpflichtung und dem Segen, den Propst Schmidt, Pfarrer Frank Hammel, die scheidende Organistin Doris Schmidt und die Kirchenvorsteherin Eleonore Hansel sprachen, folgte ein nicht enden wollender, stehender Applaus, den Pfarrer Bernbeck mit seiner Frau teilte.

          Für das evangelische Dekanat sprach Dekanin Dr. Dorette Seibert die Abschiedsworte. „Anregung, Austausch, Erfahrungen – all das verbinden die Menschen im Dekanat mit Ihnen“, so Seibert, die Bernbecks Selbstverständnis, nicht selbst im Mittelpunkt zu stehen, unterstrich: Der Pfarrer habe die Menschen ermutigt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Bernbeck sei gerne „Dorfpfarrer“ gewesen, so Seibert, ein Pfarrer für alle, der seine Haltung „Das Evangelium fragt nicht, wer in der Kirche ist“ lebt.

          Auch die Kirchenvorstehenden dankten ihrem Pfarrer und seiner Frau für die vielen gemeinsamen Jahre: „Die Pfarrstelle wurde ein Familienunternehmen“, so das Resümee. Vermutlich gebe es kein Haus in den Kirchengemeinden, das Pfarrer Bernbeck noch nicht betreten habe, er habe alle Familien gekannt und um ihre Sorgen gewusst. Bernbecks hätten ihre Haltung nicht nur verkündet, sondern vielmehr gelebt, glaubwürdig, aufrecht und zugewandt.

          Der Verabschiedung Walter Bernbecks folgte die Verabschiedung von Doris Schmidt, die an ihrem goldenen, 50-jährigen Organistinnenjubiläum in den Ruhestand ging. „Sie war da, lange bevor ich kam“, würdigte Bernbeck Schmidts Leistung, „ich konnte viel von ihr lernen.“ Zu guter Letzt wurde Bernbecks Nachfolger in Billertshausen begrüßt. Jörg Niesner wird die Vakanz bis Ende des Jahres füllen. Er wird in große Fußstapfen treten, das ist ihm bewusst, wenngleich deutlich wurde, dass seine neuen Kirchengemeinden ihn mit offenen Armen aufnehmen: dankbar für den Pfarrer, den sie hatten, und offen für Veränderungen in der Zukunft.

          Geprägt von grenzenloser Dankbarkeit, tiefer Freundschaft und stillem Abschiedsschmerz war im Anschluss an den Gottesdienst auch das Gemeindefest, das rund um den Pfarrhof stattfand. Viele hundert Gäste waren der Einladung gefolgt – es war ein Fest, wie Bernbeck es sich gewünscht hatte: Zugewandte Menschen, gute Gespräche, Essen und Trinken und tatsächlich auch ganz viel Sonnenschein. Eine ganze Reihe von Rednern hatte sich angekündigt, darunter Vertreter von Kommunen und Verbänden, von kirchlichen Einrichtungen und Institutionen. Sie alle fassten sich schließlich kurz, um Raum und Zeit für Lied- und Tanzbeiträge zu geben und natürlich zum gemütlichen Beisammensein. So war auch dieser Teil der Verabschiedung geprägt von der tiefen, aufrichtigen Wertschätzung für Walter Bernbeck und seine Familie, die, auch wenn sie nun wegzieht, der Region sicher noch als Freunde und Ehrenamtliche erhalten bleiben wird.

          Diese Seite:Download PDFDrucken

          to top