Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Tagesandacht in Zeiten wie diesen

          Widerstände

          Gott mit dir bin ich heute über Mauern gesprungen du hast mich getragen über Grenzen und Steine hinweggetragen, wenn ich dir Hand bin wirst du mir Flügel

          Ein Gedicht von Andrea Schwarz, auf das ich beim Schreiben eines Geburtstagsbriefes gestoßen bin. Es erinnert mich an den „Weg der Besinnung“ in Bad Kissingen, ein Pfad am Waldrand der Stadt, gestaltet von den dortigen Kirchengemeinden, mit 12 Kunststationen und begleitenden Texttafeln.

          Über Mauern springen können: Die Skulptur zeigt eine Mauer und einen sie überspannenden Bogen, der von der einen zur anderen Seite führt. Die Texttafel trägt die Überschrift:

          Widerstände
          Und auf einmal diese Mauer.
          Ich ärgere mich, ich plage mich ab.
          Ich komme nicht weiter.
          Wut?
          Resignation?
          Überwindung?

          „Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“  (Ps. 18, 30)

          Wer von uns hat nicht auch schon Mauern vor sich gehabt, vielleicht sogar unüberwindbar scheinende Widerstände erlebt und sich dabei geärgert, geplagt und gefragt, wie komme ich da weiter? Wer von uns hat nicht schon in solchen Situationen Wut verspürt, mit der Zeit resigniert und daran gezweifelt, je diese Widerstände überwinden zu können? Es sind Lebenserfahrungen, die wir alle schon gemacht haben, die keinem von uns erspart bleiben. Sie gehören zum Leben einfach dazu.

          Doch wie gehen wir damit um?

          Haben wir schon mal diese Erfahrung gemacht, dass Gott uns hinweggetragen hat über Grenzen und Steine oder sogar mit ihm über Mauern gesprungen sind?  Und wenn ja, um welche Situation ging es da, wie sah die „Mauer“ konkret aus, was lief da in unserer Beziehung zu Gott ab?

          Aus dem Psalmwort von David und noch anders aus dem Gedicht von Andrea Schwarz entnehme ich  eine wichtige Voraussetzung: „Mit dir“ bzw. „wenn ich dir Hand bin, wirst du mir Flügel“. Ich höre daraus, dass ein tiefes Vertrauen zu Gott, in seine Macht, in seine gute Führung, ein „Sich in seinen Dienst stellen“ notwendig erscheinen, um durch ihn mit kleinen und großen Widerständen fertig werden zu können. Ohne dabei zu wissen, was hinter der „Mauer“ sein wird.

          Wie kläglich scheitern wir aber manchmal selbst vor kleinen Mäuerchen. Machen sich dann nicht auch Zweifel an unserem Vertrauen zu Gott breit? Spüren wir dann nicht auch, dass es mit unserer „Hingabe“ an Gott oft nicht weit her ist? Dann ist es nicht weit zu resignieren und unsere mickrige Sprungkraft, unsere fehlenden Erfahrungen, „im Glauben Berge versetzen zu können“, mit unserem mangelnden Glauben in Verbindung zu bringen.

          Doch halt! Das Bild vom „Überspringen von Mauern“ bedeutet nicht ausschließlich eine schnelle, auf eine Punkt konzentrierte, mit voller Energie durchgeführte Aktion, quasi wie ein Hochspringer mit einem explosiven Sprung von einer Sekunde auf die andere die Latte überquert. Ich sehe In der Kunststation des Besinnungsweges hingegen einen weit gespannten Bogen, der über die Mauer führt, und für mich dies ausgedrückt: Es braucht mitunter einen langen Anlauf und vorher viel Vorbereitung und Zeit.

          Und in dieser Vorbereitungszeit können - auch wenn Rückschläge auftreten - die Kraft, unser Glauben und das Gottvertrauen wachsen und wir können - auch wenn uns Fehlversuche passieren - am Ziel festhalten. Ja, die Kraft wächst mit der Zeit, sie wächst auf oder mit dem Weg, wie es Andrea Schwarz in einem anderen Gedicht so schön ausdrückt:

          Die Kraft wächst mit dem Weg
          wenn du Gott vertraust
          seiner Zusage glaubst
          den nächsten Schritt wagst
          ohne zu ahnen wohin der Weg führt
          ohne zu wissen wie das Ziel heißt
          nur von Hoffnung und Sehnsucht getrieben
          dann wirst du achtsam bleiben
          wach mit allen Sinnen
          suchen und sein
          und dankbar für Zeichen und Worte
          und staunen darüber
          wie sich Schritt für Schritt
          ein Weg ergibt
          sich das Ahnen verdichtet
          der Boden trägt und zum Quellgrund wird

          Manche haben das in ihrem Leben vielleicht auch einmal so erlebt: Eine unüberwindbar scheinende Mauer, immer wieder erfolglos dagegen angerannt, aber letztlich überwunden nach vielen Anläufen. Getrieben von der Hoffnung, davor nicht verzweifeln zu müssen, und von der Sehnsucht, Gott zu erfahren. Kein leichtes Überspringen, eher ein zähes und viel Kraft kostendes Überwinden auf einem langen Weg. Aber im Nachhinein doch mit der Erfahrung: Gott trägt über Grenzen und Mauern hinweg.

           

          Gernold Roth

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