Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Kirchenpräsident Dr. Volker Jung präsentierte sein Buch „Digital Mensch bleiben“

          Vom Prinzip Hoffnung im Angesicht von Facebook, Drohnen und Allmachtsfantasien

          Traudi SchlittTraudi SchlittEngagierter Redner traf konzentriertes Publikum: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung mit Pfarrerin Karin Klaffehn und Victoria Reinhardt im Interview.

          Er ist Medienbischof der EKD und Kirchenpräsident der EKHN, für die Lauterbacher aber war er in erster Linie ihr Pfarrer und Dekan. Und so war es ein Heimspiel für Dr. Volker Jung, als er am vergangenen Dienstag auf Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde Lauterbach, der Evangelischen Jugend im Vogelsberg und der Buchhandlung Das Buch im Gemeindesaal der Ev. Kirchengemeinde sein neues Buch „Digital Mensch bleiben“ vorstellte und nebenbei – ganz analog – viele alte Bekannte wiedertraf

          „Zu churchy“ klinge der Titel des Buches, habe seine Tochter im Vorfeld angemerkt, geblieben ist er dennoch, denn es ist genau diese Frage, die den Kirchenpräsidenten umtreibt. Im Rahmen einer lebhaften und sehr unterhaltsamen Gesprächsrunde mit Pfarrerin Karin Klaffehn und Victoria Reinhardt von der Evangelischen Jugend ging er ausführlich darauf ein. Zuvor jedoch zeigte ein kleines, gut gemachtes Anspiel die Bandbreite, in der sich Menschen heute bewegen: Vom ganz analogen Spaziergang mit dem Hund über Computerspiele in Dauerschleife oder einen kleinen Ausflug ans Meer per Virtual Reality bis hin zur kompletten Überwachung des eigenen Körpers durch einen selbst und des eigenen Lebens von außen. Apropos außen: Eine Übertragung der Veranstaltung per Live-Stream ins World Wide Web war Bestandteil des Abends ebenso wie die Möglichkeit online oder analoge Fragen an Dr. Volker Jung zu stellen.
          Sein Credo nahm der Kirchenpräsident vorweg: „Wir können die digitale Entwicklung nicht aufhalten, aber wir können sie mitgestalten.“ Ausgangspunkt für seine intensive Beschäftigung mit der Digitalität seien Reisen ins Silicon Valley gewesen. Bei Google und Facebook sei er mit der Idee konfrontiert worden, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz den Tod zu überwinden und gottgleich werden zu wollen – eine Vorstellung, die ihn als Kirchenmann gruseln lässt, wie er zugab, gleichwohl zeigte er sich beeindruckt von der Kundennähe von Facebook. Der Konzern wisse genau, was seine Kunden erwarteten, er biete passgenauen Nutzen und höchste Kundenorientierung. „Wir sollten mit unserer beglückenden Botschaft auch solche nutzerorientierten Angebote machen“, regte Jung an. Auf der anderen Seite sei es natürlich genau dieses Angebot in den Sozialen Medien was es auch schwierig mache: Während junge Menschen eher die Vorteile sähen, die Soziale Medien verschiedenster Art ihnen böten, beispielsweise den Genuss einer Lebenswelt, sieht der Kirchenpräsident eher die Gefahren: Da sei zum einen der zeitliche Faktor, denn so ein Ausflug ins World Wide Web im Allgemeinen und in die sozialen Medien insbesondere verschlinge sehr viel Zeit. Da gehe es um das Setzen von Prioritäten, nicht zuletzt auch um die Sucht nach vielen Klicks und vielen Likes. Dabei zeigte Jung sich durchaus versiert als Facebook-Nutzer, während er andere soziale Medien wie Instagram oder Twitter gerne anderen überlässt. Als Facebook-Nutzer habe er festgestellt, dass Privates mehr Beachtung fände als Dienstliches oder Sachliches. Dennoch will er nicht zu viel Privates posten. „Man muss aufpassen, was und wieviel man von sich preisgibt“, so sein Rat. Für ihn als Kirchenpräsidenten stelle sich außerdem auch das Problem, dass er lieber hinter die Botschaft treten möchte, dass er sich nicht selbst zu Botschaft machen möchte, nur weil es gut ankomme.
          Wie interessiert das Publikum an der Auffassung des Kirchenpräsidenten war, zeigte sich an vielen spannenden Fragen, die aus dem Podium oder aus der Zuhörerschaft des Live-Streams kamen. Über allem stand natürlich die Frage, wie das Thema Digitalisierung, Gott, Glaube und Interaktion ethisch überlegt werden könne. Die Antwort des Kirchenmannes lag auf der Hand: Das Dreifachgebot der Liebe biete die Lösung: „Wer sich selbst liebt, wird darauf achten, was er von sich preisgibt, wer seinen Nächsten liebt, wird gut und respektvoll mit dem anderen umgehen, und wer Gott liebt, wird wahrnehmen, wo Grenzen sind, die man nicht überschreiten sollte“ - wie etwa der Ausgangsgedanke vom Überwinden des Todes, den Jung klar als Hybris bezeichnete. Gleichzeitig plädierte er dafür, die Segnungen der Medizin und auch der Technik zum Guten zu nutzen – es gebe gute Ansätze, Roboter in der Medizin oder in der Pflege einzusetzen, gleichwohl könne oder solle niemals ein Roboter den menschlichen Kontakt, die persönliche Zuwendung ersetzen. Bei so viel Tiefgang war es kein Wunder, dass man auch in der Betrachtung der Digitalisierung am Ende zu der Frage kam: Was macht den Menschen aus? Was ist die Seele? Was ist das Geheimnis des Menschen? „Es ist die neue Entdeckung eines alten Themas“, schien Jung nicht unerfreut zur Kenntnis zu nehmen. Für Kirche bedeute das Vorhandensein neuer Medien durchaus, dass man diese auch nutzen könne – wie immer und überall komme es auf die Dosierung an, auf den Mix aus Analogem und Digitalem, natürlich auch mit Blick auf die Frage, ob eine Botschaft per Stream oder im Chat genauso berühren könne wie das Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
          Das Publikum zeigte sich diskussions- und redefreudig und schien das Format, ein Interview mit Nachfragemöglichkeit, sehr zu schätzen. So ging es an dem Abend im Gemeindehaus noch um viele Themen rund um Digitalisierung: Hate Speech und Respektlosigkeit zum Beispiel, die Digitalisierung von Schulen, die Möglichkeiten, sich mit Hilfe der Digitalität neue Welten zu erschließen. Auch einem sehr pessimistischen Ausblick mussten der Redner und das Publikum sich stellen, der davon ausging, dass das Internet dem Populismus Tür und Tor geöffnet habe, dass die digitale Entwicklung der Demokratie schade und dass der Mensch die neuen technischen Möglichkeiten – beispielsweise unbemannte Waffensysteme – auch nutzen werde – bis hin zu seinem eigenen Untergang. Volker Jung sieht diese Gefahren durchaus, das wurde deutlich, dennoch kam er zurück auf seine Auffassung von Offenheit und Mitgestaltung, nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Pfarrer und Kirchenpräsident: „Ich bin ja schon von Amts wegen für die Hoffnung zuständig.“

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