Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          180 Teilnehmer diskutieren auf der Sondersynode des Evangelischen Dekanats Vogelsberg über die Zukunft der Kirche

          Die fetten Jahren gehen vorbei – wo will Kirche hin?

          Der Problematik schwindender Mitgliederzahlen und Einnahmen in Verbindung mit einer dringend nötigen Reform hat man auch im Evangelischen Dekanat Vogelsberg erkannt und ihr mit einer Sondersynode, die sich dreieinhalb Stunden lang ausschließlich mit dem Thema ekhn2030 befasste, Rechnung getragen.

           

          Die Fakten sind massiv und liegen seit langem auf den Tischen der Verantwortlichen der Evangelischen Kirchen in Deutschland: Nach einer Studie der Universität Freiburg sollen die Mitgliederzahlen von 21,5 Millionen Menschen im Jahr 2017 auf 16,2 Millionen im Jahr 2035 sinken. Bis zum Jahr 2060 würde sich nach dieser Projektion die Zahl von 2017 sogar halbiert haben. Gründe dafür gibt es einige: Zum einen sorgt der demographische Faktor für einen gesellschaftsweiten Schwund an Menschen: Die Zahl der zu erwartenden Sterbefälle wird nicht über Geburten oder Zuwanderung aufgefangen. Darüber hinaus schlagen kirchenspezifische Gründe zu Buche: Immer weniger Kinder von evangelischen Müttern werden getauft, mehr Menschen treten aus als ein. Vor diesem Hintergrund werden die Kirchen auch einen erheblichen Rückgang an Kirchensteuereinnahmen zu verzeichnen haben. All dem versucht man in der Evangelischen Landeskirche von Hessen und Nassau (EKHN) mit dem Zukunftsprozess ekhn2030 zu begegnen: 150 Millionen Euro sind bis 2030 einzusparen, so die Vorgaben aus den Leitungsgremien der Landeskirche. Wie die Veränderungen gestaltet werden können, erregt die Gemüter von Gemeindegliedern – nicht nur, weil die zu erwartenden Einschnitte hart sein werden, sondern auch, weil vielerorts die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kirchengemeinden als zu gering eingeschätzt werden.

          Diese Problematik hat man auch im Evangelischen Dekanat Vogelsberg erkannt und ihr mit einer Sondersynode, die sich dreieinhalb Stunden lang ausschließlich mit dem Thema ekhn2030 befasste, Rechnung getragen. Und das Interesse war groß: 180 Teilnehmende konnten Präses Sylvia Bräuning und Dekanin Dr. Dorette Seibert dazu begrüßen – alle zusammengeschaltet über Videokonferenz. Neben den Mitarbeitern der Dekanats und den noch amtierenden Synodalen sowie den neu gewählten Mitgliedern der Kirchenvorstände nahmen auch interessierte Personen aus angegliederten Einrichtungen teil sowie Gäste aus Nachbardekanaten und der Katholischen Kirche.

          "Wir werden von allem weniger haben."

          Neben Propst Matthias Schmidt konnte das Dekanat mit Dr. Annette-Christina Pannenberg (Koordinatorin des Gesamtprozesses der EKHN) und Dr. Melanie Beiner (Dezernat Kirchliche Dienste der EKHN) drei Referenten gewinnen, die zum einen die Grundlagen für den Prozess sowie dessen aktuellen Stand darlegen konnten, später aber auch Fragen aus dem Plenum beantworteten.

          Zu den theologischen Grundlagen äußerte sich der Propst: Er zitierte den Traum des Pharao, dem sieben fette und sieben magere Kühe erschienen waren. „Die fetten Jahre sind vorbei, wir werden von allem weniger haben“; so Schmidt, „aber jetzt haben wir noch Reserven und können vorsorgen.“ Neben den demographischen und kirchenspezifischen Gründen machte Schmidt auch eine Institutionsmüdigkeit aus: „Menschen binden sich nicht mehr fest an Institutionen.“ Mit Blick auf die Besitztümer der Kirche sagte Schmidt, diese habe in den letzten 70 Jahren mehr gebaut, als die 400 Jahre zuvor. Daraus resultiere ein enormer Baubestand, den es zu erhalten gebe. Vor dem Hintergrund des Einsparungspotenzials seien auch diese zu überdenken. „Es ist unredlich, so zu tun, als bleibe alles beim Alten“, so der Propst, der die Fragen „Was wollen wir für die mageren Jahre bewahren? Was wollen wir als Kirche sein?“ mit auf den Weg zur Erneuerung gab. „Kirche entsteht und lebt aus dem Evangelium – und alle Menschen haben den Auftrag dies zu gestalten“, so sein Appell an die Anwesenden. Die Fragen lauteten demnach: „Was wollen wir ausbauen? Was wollen wir lassen? Was machen wir neu?“ Als Zielvorgabe formulierte Schmidt: Kirche solle verlässlich und erreichbar sein, gut vernetzt, mit leichtem Gepäck unterwegs. Der Propst drückte seine Hoffnung aus, dass Veränderung möglich sei: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er erhalten möchte“, zitierte er Gustav Heinemann.

          Thema "Zusammenschlüsse" beschäftigt Gemeinden.

          Dr. Annette-Christina Pannenberg zeigte in ihrer Präsentation, wie die Landeskirche mit ihrer Synode auf dem Weg in den Erneuerungsprozess ist. Sie stellte Arbeitspakete, Querschnittsthemen und Prüfaufträge vor und es war klar: Dieser Prozess ist nicht in wenigen Schritten erklärt und verstanden. Vielmehr bedarf es einer tiefen Einarbeitung, wenn man allen Bereichen Aufmerksamkeit schenken möchte. Die Landeskirche hat dazu viele Informationen bereitgestellt, die Interessierte unter unsere.ekhn.de/themen/ekhn.2030 nachlesen können. Pannenberg referierte auch unter der Prognose, dass nicht nur die Mitgliederzahlen und die Einnahmen schwinden, sondern dass mit den Babyboomern in den nächsten zehn Jahren auch die Hälfte der Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand gehen, sodass Kirchengemeinden sich auch in dieser Hinsicht neu orientieren und mit dem Mangel auseinandersetzen müssen. Insbesondere die Arbeitspakete 1 bis 4 sind für die Kirchengemeinden interessant, wie Pannenberg erläuterte: Hier stehen „Öffnung, Kooperation und Zusammenschlüsse“, „Pfarrdienst und Verkündigung“, „Gebäude“ sowie „Kindertagesstätten“ auf der Agenda. Von Anfang der Synode an war deutlich, dass insbesondere das Thema „Zusammenschlüsse“ die Gemeinden beschäftigt, gepaart mit der Sorge, dass hier schon viel über ihre Köpfe hinweg entschieden worden sei. Diesem Eindruck widersprach Dr. Melanie Beiner in ihrem Teil der Präsentation: Weder wolle noch könne die Landeskirche flächendeckend entscheiden: „Kirchliches Handeln muss vor Ort in den Regionen gestaltet werden und deren Infrastruktur mit einbeziehen.“ Beiner berichtete von der Absicht, Dekanate mit einer eigenen Budgetierung mehr Freiräume zu ermöglichen. Im Sinne der Gemeinwesenorientierung sollten sich alle Akteure im sozialen Raum vernetzen und die Menschen als Teil des kirchlichen und gesellschaftlichen Handelns in den Fokus nehmen. „Ich glaube, dass wir als öffentliche Kirche sowohl Gesellschaft mitgestalten können und sollen, als auch bei den Menschen sein können.“ Angedacht seien in Zusammenschlüssen mit etwa 3000 bis 6000 Gemeindegliedern Verkündigungsteams, die nach Gaben und Neigungen zusammenarbeiten und aus Pfarrpersonen, Gemeindepädagogen und Kirchenmusikern bestehen – gebildet nach Anforderungen und Ressourcen vor Ort. Auch die Verwaltung soll somit zentraler werden. Mögliches Beispiel aus der Praxis könne das Vogelsberger Gruppenpfarramt sein, so Beiner.

          Paradigmenwechsel erwartet

          In kleineren Gruppen hatten nach den Präsentationen alle Teilnehmenden Gelegenheit, sich auszutauschen, ihre Fragen zu formulieren, ihre Bedenken und ihre Hoffnungen zu äußern. In der anschließenden Gesprächsrunde wurde deutlich, dass kaum jemand sich dem Prozess entziehen wird – zu offensichtlich ist die Notwendigkeit. Über das Wie gab es dann doch zahlreiche Fragen: Wird der ländliche Raum berücksichtigt? Wie können die Dörfer bei Zusammenschlüssen ihre Identität erhalten? Wird es Begleitung geben? Wie kann man es schaffen, die Ehrenamtlichen nicht zu überlasten? Wie kann man die Menschen trotz dieses Prozesses in der Kirche halten? Wie gestaltet sich die Verwaltungsseite? Sollen Kirchengebäude verkauft werden? Die Teilnehmenden äußerten auch ihre Sorge, dass es nicht gelingen könne, die Kirche neu aufzustellen – von einem Paradigmenwechsel war die Rede. Auch dürfte man – trotz aller Einsicht und Hoffnung – die Nachteile in der Diskussion nicht vergessen.

          Auf manche Fragen gab es gleich eine Antwort aus der Expertenrunde, andere brauchen noch ein wenig Zeit und werden sich auch erst im Laufe des Prozesses zeigen. Dass dieser den Gemeinden zu schnell geht und sie sich – insbesondere unter den hohen Anforderungen und fehlenden Austauschmöglichkeiten zu dem Thema während der Corona-Pandemie – zu wenig involviert und gehört fühlen, hatte sich schon im Vorfeld der Synode in einem Beschlussvorschlag gezeigt, der nun besprochen und abgestimmt wurde. Die Dekanatssynode gibt einen Antrag an die Kirchensynode weiter, in dem gefordert wird, den Zeitplan für ekhn2030 dahingehend zu ändern, dass den Gemeinden und Dekanaten mehr Zeit zur aktiven Mitwirkung an dem Prozess gegeben wird. Beschlussfassungen zu Gesetzesänderungen, die sich aus dem Prozess ekhn2030 ergeben, sollen erst im Jahr 2023 gefasst werden. Die Mehrheit stimmte dafür und so macht sich dieser Antrag, der den Gemeinden etwas mehr Zeit verschaffen soll, nun auf den Weg nach Darmstadt. In den Dekanaten selbst – und damit auch im Dekanat Vogelsberg – beginnt spätestens jetzt die Suche nach geeigneten Kooperationen, die sich in den Nachbarschaftsräumen wiederfinden sollen.

          Zum Abschluss der Synode machte die Dekanin Dr. Dorette Seibert klar, dass sie mit den Kirchengemeinden und Synodalen weiter an diesem Prozess arbeiten möchte – ein Workshop-Tag im kommenden Frühjahr soll eine solche Möglichkeit sein. Dort sollen unter der Fragestellung „Wo wollen wir hin?“ Bilder und Möglichkeiten entworfen werden.

          Verabschiedung der Synodalen

          Feierlich wurde es am Ende noch einmal, als die scheidenden Synodalen verabschiedet wurden. Ihnen dankten sowohl Bräuning als auch Seibert von ganzem Herzen für ihr jahrelanges ehrenamtliches und oft sehr zeitaufwendiges Engagement für ihre Kirche. Eine Pfarrstellenbemessung und eine Fusion hatten sie mitgetragen und auch sonst viel mitentschieden im Dekanat. Als Dankeschön wird das Dekanat Vogelsberg im kommenden Frühling für jeden der Scheidenden gemeinsam mit dem klimafairein Oberhessen e.V. einen Baum pflanzen – und somit 150 Bäume - und dann nochmal zu einem gemütlichen Beisammensein einladen. Auf den Weg zu ekhn2030 machen sich nun ihre Nachfolger.

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